TEXTLANDSCHAFT

Texte über Texte


 

Walker Percy bietet in "Der Kinogeher" (Suhrkamp) keinen Text, in dem der Erzähler beständig Inhalte von Filmen sagt und sie mit der Wirklichkeit draußen kunstvoll verwebt, obwohl am Ende vom Lesen das Gefühl ist, daß der Inhalt über einen Film hätte vermittelt werden können. Der Autor zitierte zur Einstimmung Kierkegaard "... das Besondere der Verzweiflung ist eben dies: sie weiß nicht, daß sie Verzweiflung ist"; es wird beim Lesen seitenweise Langeweile, falls das Leben, das der Erzähler beschrieb, nur momentweise etwas mit dem eigenen zu tun hat, "Heutzutage gilt doch, daß die Umgebung, in der ein Mensch lebt, für ihn nicht mehr bezeugt ist. Mit aller Wahrscheinlichkeit lebt er da in Traurigkeit dahin, während in ihm sich Leere ausbreitet und schließlich die ganze Umgebung aushöhlt. Doch wenn er einen Film sieht", Text liest, "der ihm die eigene Umgebung zeigt, vermag er, wenigstens eine Zeitlang, als jemand zu leben, der Hier ist und nicht Irgendwo", das aber auch selten fremd genug scheint, daß es Neugier ("Turmschwalben steigen bis zu einer windigen mittleren Höhe himmelan und stoßen zwitschernd herunter, so schnell, daß ich sie zunächst für Mücken halte, die meine Augenlider streifen" Wie ist das möglich?) oder jammernd genug, daß es Mitleid ("Hast du bemerkt, daß die Leute nur bei Krankheit, Katastrophe oder Tod wirklich werden?") weckt. Die Verbindung von Alltäglichkeit, Totsein, "Die Alltäglichkeit ist der Feind", ist im allgemeinen Bewußtsein; die Versuche, dieser Art Tod zu entgehen, sind vielfältig, der Titelheld versucht es mittels Verwunderung, "All meine Zeit verbringe ich arbeitend, Geld verdienend, ins Kino gehend und die Gesellschaft von Frauen suchend",... es ist Sehnsucht drin, "Bei der Vorstellung, die letzten vier Jahre seien meine Wanderjahre gewesen, und ich sollte nun solide werden, könnte ich mich auf der Stelle erschießen", Sehnsucht, die ihn kurzzeitig dem Vater, "Doch erinnere ich mich, die gleiche Reklame vor zwanzig Jahren auf dem Schreibtisch meines Vaters gesehen zu haben, mit derselben Frau, dasselbe großporige Gesicht, dieselbe Niveacreme", nachforschen läßt: "Jede Handlung meines Vaters, sogar seine Unterschrift, ist ein wesentlicher Fingerzeig bei meiner Suche", in Vater und Sohn sei eine "tödliche Injektion Romantizismus", doch "Sein Fehler war, er versuchte zu schlafen... Was mich betrifft, ich versuche, nicht zu schlafen"; der Vater ist tot, "und ich, in seinen Augen die monströse Forderung sehend, sehend, wie er von mir sein eigenes Leben erflehte, wies ihn ab". Das ist nicht rückgängig zu machen. Sehnsucht nach einer Art Spiegel, der aufschreckt, wach-, lebendighalten könnte, treibt ihn zu einer Verwandten, "Sie... könnte mein Doppelgänger sein, rußäugig, im Nirgendwo", "Wohin wird die Mechanik sie jetzt führen?"
Er heiratet sie, macht sich zu ihrem Teilhirn, "Kate" fuhr "erstmals mit der Straßenbahn allein in die Innenstadt, nachdem ich ihr jede Bewegung genau vorausgesagt"... hatte. Es könnte ihn für den Rest des Lebens beschäftigen.

 

 


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