TEXTLANDSCHAFT

Texte über Texte


 

&Es gibt eine Textflut. Ein Dichter schnitt sich, während er vorlas, die Stirn mit einer Rasierklinge auf, Blut tropfte, Presse war zugegen, seine Texte wurden gelesen, für gut befunden. Ein Autor verschwand eine Zeitlang, in der Zeitung stand: „Selbstmord“, „Das ist werbewirksam.“ Ein anderer rief einen Redakteur an: „Wenn ihr die Gedichte nicht druckt, springe ich aus dem Fenster.“ Flanzendörfer (‘unmöglich es leben’, Januspress GmbH von Gerhard Wolf) sprang von einem Turm, Traum vom Fliegen, Baader Holst (‘koitusbonzen’, MAAS-Verlag) lief im Morgengrauen vor eine Straßenbahn, betrunken. Neugier von anderen auf Texte und Geld für Texte hätten das vermutlich nicht verhindert. Michael Rom wurde bei einem Raubüberfall erschossen.

Flanzendörfers Texte, Malereien, Fotos, ‘wrackmente’ machen kein Behaglichkeitsgefühl. Er lebte in ‘todsucht lebeangst hyperfindlich infam’, fühlte sich ‘als objekt untauglich, als subjekt unbrauchbar’, hatte ‘tricks in der tasche, überleben können’: ‘mir wird schlecht, ich gehe, stelle das gas ab, lege mich hin, lass mich hängen, denken, fühlen’ - ‘statt raus sichs reintanzen, endlich aufhören, wies dich überwohnt überwältigt mit zu tun’,

‘macht / quirlt dennoch sprechen / um sprechen zu lassen / was da spricht... einkreisen & in sprache fassen (lass sie sprechen, sie spricht)...

über gefühle spreche ich nicht, sie sprechen für sich’,

‘sprache, die aus allen bereichen aufsteigt’;

doch ‘unmöglich es leben’ - ‘der raum, in dem ich mich bewege, hat keine sichtbare grenze. mein feld in ihm ist abgesteckt, meine erfahrung beschränkt sich auf bestimmte zonen freier bewegung. / an verschiedenen sind übergänge. jeder übergang bringt sofort beeinflußung’,

‘der könig blickt auf seine herrschaft und befiehlt, / unverzüglich zehntausend rechtecke zu erschießen. / die rechtecke fliehen ins gebirge der metaphern’, ‘weltbild­projektoren surren’,

er fühlt sich zwischen ihnen ‘leib eigen & fremd’, aktionen mit anderen künstlern (johannesjansen, mita schamal) ändern daran nichts,

‘kulturnaja rewoluzija die ausbleibt’,

‘utopien werden beschworen, zukunft befrachtet, gegen­wart abgeschworen - lieber nichts als das’ ‘in gang gesetzt verurteilt zum urteil’, ‘dem verschlungenen folgend ins labyrinth unAUSWEICHlicher tatSACHEN verbrannter kinderträume’, ‘„duerf ik?“, / tatendrang’ -

er höhnte: ‘szenestochernd im scene-buch wallewalle’, ‘ausgeliefert einverleibt im vollzug verstreckt... murmeln feuer­vogelkinder ihr abrakadabra / tanzen spr(???)itter zum tamtam von fahne & knast’,

‘lerne ich deutsch, / virus!’,

ermahnte sich: ‘der text, das bist doch du, angestoßen, fortgang nun, ich schweige nicht rede,’

doch: ‘so geht das nicht weiter, eine andere rolle, ein anderer film’, ‘lebe mit fremder sprache’, ‘maschinensprache für alle’,

er schrie auf: ‘entfaltungsbremmsenn blokkieren den fortgang drum rann / mitt duenamitt, kemmpfe gegen dii baanvorsteeerbullen / & nimmersattennn ausneemern oobrigkeit gesetzter willkuer / nach beute hetzt gegenn vorann’,

klagte: ‘erneute objekterklärung, zerstoerung, krieg. ein kreis­lauf’, ‘entwickler aber ist tot’, ‘stehe auf verlorenem posten in einem krieg, der nicht meiner ist’, ‘zur verlassen­heit am anfang gesellt sich leerbrief’, ‘leben gibt stromma­schine in klaffende wunde’,

er bezog andere in seine betrachtung ein: ‘wenn gemein­samkeit dunkelkammer ist, sind wir allesamt belichtet & als solche tragbahre’.

Ich sah Peter Wawerzinek und Baader Holst lesen, Peter W. warf Zettel ins Publikum, auf ihnen standen ordentlich geschriebene Sätze, er sagte andere, Baader Holst hatte ihn verändert; ‘alkohol ist keine droge alkohol ist eine errungenschaft grade wenn mich ein roman erwartet und ich auch hingehen werde denn die folter ist feucht von welten die jede ähnlichkeit“reiner räume“wieder:­erkennt ein lebender ein toter räumt mehr als das heute um nie zu vergessen’, wenn ich Baader-Holst-Texte lese, höre ich Stimmen in mir, kichernd, flüsternd, kreischend, ‘zwischen bunt und bestialisch’, ich verstehe nur Bruchteile von dem, was im Blocksatz steht: ‘die arbeitslager der selbstfindung öffnen um...’, ‘du kannst dich umbringen aber dich nie erreichen“natürlich ist dem telefonkabel kotzübel:es bangt um ein ereignis der zusammenbruch ist sagbar jedoch:entSINNung????­potem­kinsche...’, ‘darling wo sind meine APOneuron? ich will die barrikade:pökeln...’;

‘halte der ROTTE die tür auf zahle mein würzfleisch selbst die wahrheit des gebrauchtwerdens“das tödlichste in uns zu tauschen“das erkennen im andern im anderen die berührung wird zur drohung:teil zu sein dieses SINNREGIMES dieser sanftmut:identität ersetzt das EIGENE ich lecke deine spalte’. ‘wer den tod kennt hat die welt n.NUR:gesehen die ihn:wachhält aber indem ich mich tot:beuge um das recht sterben zu dürfen’,

Verzweiflung macht lustig: ‘du bliest meinen luftballon ich blies deinen mutterkuchen SOLANGE’, ‘am sarg deiner ohrlemu­schibibu despothie’;

Satzteile sagen, daß Baader Holst belesen war, die Texte sagen, daß er, ‘seufzer die den massenmorden zuwider aber unzertrennlich sind moni muß sich hände waschen’, gegen Faschismen, ‘die gnade der späten geburt ändert daran nichts’, lebte, sich wehrte gegen das ‘verpanzern einschneidend bis in den taufschrei der halbleiterfurie rohling die vierte „isabell fand schnuffi““.. die rasse zu erhalten“’.

‘ich aber sehnte mich weiter nach werten und stand plötzlich vor einer aussiedlertruhe’;

‘im gedanken an ein morgen sind die mörder von heute:’ ‘wir töten um anzufangen’. ‘aus dem fensterspringen hat unbedingt etwas mit selbstverwirklichung zu tun’, ‘ich bliebe ohne mich ein feind des bewohnbaren’, er nickte: ‘wir schrien aus rache unserer bewohnbarkeit’, als ‘gefangene des augenblicks’ - ‘einflugschneise für das schachbrettmuster meiner weltangst’,

grinste zum Abschied: ‘früher hätte ich dich auf den strich geschickt / meine geburt war schneller’.

Als ich jung war, nach dem Sinn des Lebens gefragt, mich entschieden hatte, weiterzuleben, „nach dem Tod bist du lange genug tot“, glaubte ich, ich wäre nun ohne Angst vor dem Tod und völlig frei.

Michael Rom soll sich im RTotlichtmilieu rumgetrieben haben, ‘der morgen erhebt sich, / und die stunde der ewigkeit des windes bricht an, / die zeiten wuchsen lang und wurden kristall. / das genossene glück ist wie licht in / einer winter­nacht, liebe und moder vereinen sich / zur qual der zeit. wir trinken gesalzene tränen / und müssen schmähliche dinge tun, / da wir die hirne der zombies tragen, / schreiend vor den ruinen dieser landschaft, / liegt das blutige leid / und so ist / das dasein einer schwingung gleich. // der schwarze adler fliegt’.

 

 


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