TEXTLANDSCHAFT

Texte über Texte


 

"Stimmenschotter", Schotter beunruhigt, aber: "ich lag im gras, die arme unter dem kopf" das ist keine Angriffs-, keine Verteidigungshaltung; Bittgeste: "gott schenke uns allein ein säurefestes und abgashartes gewissen"; Wulf Kirsten, "geboren in einem häuslerhaus", lebte als Kind zwischen Feld, Wiesen, Wald, "die großen schilder einer bahnstation, seit kindheitstagen / hielt gespeichert mein gedächtnis / krankhaft die bahnstation und stadt im Ruhrgebiet" - "eine grasmücke schlägt / unverdrossen ihr melodisch lied", wurde "ein fremdling bin ich / mir selbst, landlos, / dorfverloren, ausgesandt, / das leben zu bestehn / am hauseck, an das die hunde pissen".
Kirsten nannte das lyrische Ich: "fauler stauner in blutigen zeiten". Staunen: Krieg, "einer von uns lag im löwenzahn mit abgerissenem kopf". Staunen: Landschaften, "erdoberfläche abgespellt, aufgerissen, vertrichtert,", "von einer generation zur andern / starben die bauern im dorf aus". Staunen: Menschen, "...der homotop verpfählt / und eingetopft ins regionale weltgefühl", "züchter zimmern lauthals und selbstgerecht / kaninchenstelle mit rassebewußtsein"...
"...schosserbündel steilten ins licht, / kunstvoll gesetzt und gerundet spechtloch an spechtloch, / so wurde der baum den staren zur flöte" Seine Gedichte sind kunstvoll gesetzt, gewöhnlich gerundet. Ohne das "autogene lobhudeln", "...rollte / die schwermut der worte zu tal, getränkt vom klaren herbstlicht / und von den einfachen wahrheiten der landleute": "das ist die welt der krämer, in / der sich alles, alles rechnen muß". Kirsten staunt und protestiert, wenn er einen Kitschtext (Naturidylle, Mythen, Liedstil) enden läßt: "hinüber zur endstation buchenwald",

"...kampfhubschrauber den ernstfall / tatsachen schaffen, leben abscheffeln, die klaffer machen / uns kein grauen, abberufenes, abgesoffenes schweigen", "... in tellereisen eingezwängten träumen, / allzu straff gespannt, erbricht im hohen bogen, wegverwaltet /... es ist nicht alles eitel und so weitel... / arbeit sei des bürgers höchste ehrbegierde, vorwärts und nicht gestrauchelt, armer ritter von der edlen anstalt, / in elendsfett gebacken, wie sträubt sich dein haar, wer / sitzt dir im nacken, nur einer hat über uns alle gewalt, / die parzellierten trösteinsamkeiten verhagelt und vernagelt, / ausgeschildert die bissige vorsicht, wo sie bleckend / die zähne zeigt...

Kirsten fragte: "wo aber bleibt die reine poesie"? Sehnsucht machte gelegentlich pathetisch: "vom meergebornen hügelschwüngen, staubwollig". Sagte: "die poesie ist das blut der freiheit", nannte Namen ermordeter Dichter.

"... käm jetzt ein engel / durch das flimmernde, körnerkrönende / schneelicht, käm doch der engel aller narren, der dir die handvoll worte gab. käm doch ein engel, geschirrt, dich zu entführen". - "der himmel lenkt die schaukel / wieder zur erde" - "mir ist die welt / vergittert. maschendraht gespannt zu beiden seiten."
Grenzen davor, danach.

 

 


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