TEXTLANDSCHAFT

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"august - von - kotz - e - bue", könnte ein bösartiger kritiker sagen. ich aber überlas sein werk mit vergnügen, wie ich einst mit spaß ein heft "unter der roten laterne" durchblätterte und mich wunderte, daß die puffmutter im herbst für ihre pufftöchter wollene unterhosen strickt; das hatte ich nicht vermutet. ich bewundere den mut kotzebues, phantasien zwischen nochwachsein, einschlafenwollen, sich zu spannen, um entpannter zu werden, in theaterstücke zu schreiben. ich beneide ihn um die gewisse kunstfertigkeit, mit der es geschah. rühr- und komische stücke sind heute mangel- und exportware. sie werden gut bezahlt. sie machten sich auch damals bezahlt. goethe ließ als theaterdirektor von 4809 aufführungen am weimarer theater 667 kotzebuesche zu, nur 367 von schiller, 238 von goethe. an anderen theatern war die relation extremer. seine biografie ist lesenswert. einer schrieb sie unter dem titel "auch ein deutsches dichterleben", ironisch, z.t. satirisch. es ist möglich, sie einfühlsamer zu schreiben.
kotzebue wurde 1761 in weimar geboren, 1819 von einem theologiestudenten in mannheim ermordet. er hatte die patriotischen burschenschaften verhöhnt, haß erregt. er hatte auch napoleon verhöhnt, haß erregt. er fühlte sich unabhängig, freidenkend, ehrlich. er entstammte dem beamtenbürgertum. er erhielt amtsadel. er manövrierte zwischen den interessengruppen. er nahm die ideen seiner zeit in seine stücke auf: diskutierte das standesproblem, forderte bürgerliche freiheiten, kämpfte gegen das orthodoxe christentum, warb für toleranz, - auch dem mädchen gegenüber, das moralisch fiel, bereut; sittenrichter nahmen es übel. kotzebue warb für reformen von oben - einer revolution vorzubeugen. er war für monarchie, aufgeklärten absoltismus, begründete es: ein aufgeklärter monarch könne die interessen des ganzen volkes vertreten, die verschiedenen oppositionellen kräfte nur die ihres standes. er verstand geschichte nicht als vorwärtsentwicklung im kampf von gegensätzen, begründete es: das menschengeschlecht bleibe immer dasselbe, sein sogenanntes fortschreiten sei eine chimäre, sogar eine gottlose einbildung, denn der mensch sei nicht auf der welt, hier schon vollkommen zu werden. die menschennatur bleibe immer dieselbe: was vor fünfzig jahren, die menschen beglückte, kann und wird sie auch jetzt beglücken: liebe und gerechtigkeit. daß viele ähnliches dachten oder fühlten, daß er vor allem liebende menschen gestaltete, glück, unglück wechseln ließ, handlungsstränge verknüpfte, zwischenhöhepunkte setzte, moral mit moral provozierte, polemisch, satirisch, mit guten, bösen, komischen helden spannung schuf und fast immer zum glücklichen ende entspannte, waren gründe für seinen erfolg. er war ein international anerkannter, umstrittener dramatiker. die diskussion um kotzebue wurde plattform zur darlegung ethischer, später politischer, vorwiegend aber poetischer überzeugungen. goethe blieb zurückhaltend, so lange er theaterdirektor war: "was zwanzig jahre sich hält und die neigung des volkes hat, das muß schon etwas sein." später nannte er kotzebue charakterlos, warf ihm vor, sich der menge gleichzustellen, sie zu beherrschen. es nivelliere das theater. schiller verurteilte kotzebue mittelbar: "im engern kreis verengert sich der sinn, es wächst der mensch mit seinen höhern zwecken", sagte er im prolog zum wallenstein. als kotzebue ihm anbot, wallenstein in wien durchzusetzen, sagte er hingegen, kotzebue sei fürs theater begabt. er betonte kotzebues literarische fruchtbarkeit, als er die romantiker kritisierte. diese wiesen darauf hin, daß kotzebues und ifflands stücke die frühwerke goethes und schillers als vorläufer hatten. hin und her. friedrich hebbel schimpfte kotzebue "einen moralfabrikanten und kollisionsdreher in kleinbürgerwelt." grabbe stellte ihn neben schiller. die stücke ifflands wurden in die diskussion einbezogen, gleichgesetzt oder kontrastiert. kotzebue selbst war überzeugt, eine menge minderwertiger stücke geschrieben zu haben. die zahl der gedruckten betrug ungefähr zweihundertzehn. "wie auch lope de vega", sagte er. er war sicher, daß einige brauchbar bleiben würden. der spielplan unserer theater bestätigt das nicht. der oberflächliche eindruck aber läßt mich behaupten, daß jeder, der komische - oder rührstücke schreiben will, sich mit kotzebues dramentechnik beschäftigen sollte. mich aber interessierte, wie kotzebue die ereignisse der französischen revolution reflektierte. er tat es direkt in dem stück "der weibliche jakobinerklub". er ging von der these aus, daß die familie ereignisse im staate widerspiegele, daß in der familie verhältnisse selbstbestimmbar sind: das stück spielt in frankreich, während der revolution. noch lebt der könig, die nationalversammlung bedrängt ihn. der vater einer familie ist aristokrat, für monarchie, seine frau republikanerin. der sohn erleidet zwischen beiden eine identitätskrise. der tochter wäre politik egal, doch sie liebt einen aristokraten. die kammerfrau mag die freiheit nicht; sie hatte bei einer putzmacherin gearbeitet, durch die revolution ihre stelle verloren. der diener mag die freiheit; doch frei, entscheidet er sich dafür, käuflich zu sein. der vater bestreitet eine natürliche gleichheit der menschen. er verteidigt die herrschaft des mannes über die frau, die natur habe dem mann vernunft, der frau gefühl zugeteilt, der mann müsse beharrlich sein, die frau sanftmütig. anderes habe verwirrung in staat und familie zur folge. er beschließt - wenigstens - in seinem haus ordnung zu schaffen. die freiheit habe niemanden glückseliger gemacht. er spricht dafür, die tugend jedes menschen, unabhängig vom stand, zu schätzen. die mutter unterstellt, aristokraten hätten keine, den mann führe privatinteresse irre, sie verträte das interesse des staates. doch der staat bestehe aus einzelnen. eine freiheit, die niemanden besser leben lasse, für die freiheit eingeschränkt werde, niemand dürfe reisen, ist ihm fragwürdig. auch koste reisen geld. zu tun, was man wolle, koste viel geld, doch produktionsstätten seien zerstört worden, das geld entwertet. die frau ist für die freiheit. sie macht sie dem mann gleichberechtigt. sie gibt dem personal befehle, sie fordert den gehorsam der tochter, sie handelt wie die, die im theater den aristokraten dafür bestraften, daß er an anderen textstellen klatschte als sie, aber für freiheit und gleichberechtigung revolution gemacht hatten. dem vater ist ehe monarchie. er will den aristokraten zum schwiegersohn, die mutter will es nicht. die tochter will heiraten; sie spricht für die regentschaft eines monarchen, der seine untertanen liebt. sie will mit dem geliebten nicht fliehen, er könnte sie für ungehorsam halten, achtung verlieren, sie will auch die einwilligung der mutter. ein weiblicher jakobinerklub soll gegründet werden. die mutter hofft, in ihm die tochter zu überzeugen. - die intrige gegen die mutter beginnt: die wachsfigur eines aristokraten wird durch den liebhaber ersetzt. damen erscheinen. ihr gespräch weicht von der politik zur mode. doch sie schwören, keinen aristokraten zu heiraten, aristokratische ehemänner zu quälen. aristokraten sollten ohne nachwuchs bleiben, aussterben. die tochter bleibt uneinsichtig und wird zur strafe an die wachspuppe gekettet - die solle sie heiraten. die tochter schwört ihr treue. die mutter versichert, die ehe gelte. die damen lachen, erstarren, denn die wachspuppe erwidert den treueschwur. der konflikt zwischen den damen und ihren aristokratischen ehemännern scheint unlösbar. doch die ehemänner betreten den saal, fallen vor ihren frauen auf die knie, nennen sie monarchinnen, königinnen, despotinnen, sie wollten an sie gefesselt bleiben. sie beschwören amors reich: in ihm gäbe es keine laternenpfähle, die gefängnisse in ihm seien keine bastille, amors gebote zerstörten nicht, die finanzen in seinem reich seien unerschöpflich. er bezahle nicht mit papier, taste die geistlichkeit nicht an, befriedige alle stände. die grazien seien seine leibgarde, die schönsten weiber, venus präsident. die liebe mache stände gleich, sie vereinige demokratie und aristokratie. die frauen können ihren männern nicht länger widerstehen. sie fallen ihnen, brünstig, in die arme. das stück beginnt als lustspiel und endet als posse.

 

kotzebue sprach wahr, wenn er im stück daraufhinwies, daß die revolution die soziale frage nicht gelöst hatte. er benutzte es zur rechtfertigng einer reaktion, sprach mit den mündern der aristokraten ängstlich und verächtlich vom dritten stand, "fischweibern" und den "fröschen vor jupiters thron." ich bin unsicher, ob diese posse mittels einer rahmenhandlung spielbar gemacht werden könnte. oder sollten wir besser neue schreiben.

 

 


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