Gino Hahnemann ist ein Künstler, der Frauen und Männer, auch Kinder, durch Belesenheit, Neugier, Risikobereitschaft, Durchsetzungsvermögen, Toleranz - wie er Kunst (Text, Foto, Film) fertigt, "IN DER WELT ist dein kopf Leinwand & / kannibalische kamera" - faszinierte und fasziniert, er regte Künstler an.
"unter den wurzeln der distel / fand peter huchel die sprache / ein riegel fürs feuer war sie immer".
"betteln ist nicht verboten" - "mehrfach be & andere lichtungen". Gino Hahnemann bündelte im "Exogene Zerrinnerung" (Janus press von Gerhard Wolf) Texte hinter einer "Haltsmaul Sprichwort"-überschrift und andere, die er in und über verschiedene Orte Europas notiert hatte, hinter die Zeilen: "Umgekehrte Entfernung / einer mehrdimensionalen Erfahrung" - Jena kommt drin vor, "para paradiese", Italien, die Türkei, Schweiz, Paris, Salzburg, Wiepersdorf, Stuttgart... "hinter hamburg war ich kein fluß mehr".
Es ist für ihn eine "ausdauernd andere, innerirdische Dimension, / beim Lächeln in den Fotografieautomaten / die Mitte zu treffen", er fotografierte Menschen, Menschenteile, unbemalt oder nicht, Landschaften, projizierte Bilder in Bilder, "Mein Auge ist von Bildern umstellt", "IN DER WELT ist dein kopf Leinwand & / kannibalische kamera". "das kino hat die ganze welt in erzählstoffe verwandelt / und damit irreal gemacht", "ein mord nach dem frühstück / wird am abend zur dichtung", "eine der sprache verwandte krankheit / ist film": im Film kann er Text- und Bilderflut bändigen. Einer ist über den Marienkult - "der schrei der heiligen mutter ist / länger als der vorrat an filmaterial". Gino H. läßt fragen: "Mutter, weshalb habe ich Angst vor dir?" behauptet "Ihre Unfähigkeit, Frau zu sein", habe "Rachegefühle gegen das Kind" erzeugt - zerstörend wie "überschwengliche Liebesbezeugungen", "Selbstmord und Kindesmord als Einheit". Er unterstellt in einem Film über Luther ("Unser täglich Luther gib uns heute"): "der heilige Vater ist eine heilige mutter", er sagt an anderer Stelle: "mutter / nutte gottes". Was hat er erlebt? Ein Film entstand über Kaspar Hauser, einem "bis zur Schwelle der Tierhaftigkeit verwilderten Knaben", der den Traum vom Reiten in sich hatte - man ließ ihn noch ein Jahr leben. Gino H. versuchte mit Filmen über Karl-Schmidt- Rottluff, Claude Debussy die "unwiderbringliche Zeit" zu bezwingen, Künstler aus dem Vergessensein zu holen, doch er muß in einer Goetheperformance zum "ER-lkönig" klagen - "Die Täuschung verträgt die Realität nicht".
"kann ich anderes wählen / als (meine) geschichte ?"
"es eifre jeder seiner eignen, / von vorurteilen freien, unbestochnen liebe nach", "nie wäre ich gerne / ein anderer", er will "zwanglos" in "selbstgewählter ordnung" leben, doch: ´auf dem schifferklavier / eine subjekt-prädikat-objekt-kultur / zum wechseln / verwechseln", es sei nach der politischen Wende "entschädigung vor rückgabe / enteigneter sinne" erfolgt. Gino Hahnemann droht und hofft: "FäHIG ZUR GEWALTTAT / ist diese sprache, wie jede andere, / innerhalb derer sich eine grammatische form / nicht behauptet, auflöst, verwandelt".
"der erzähler / des schönen, / dem das vergessen entging, / ist der tod".
Und nebenher erklingt häufig, monoton: "This is a man′s world".
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