laudatio.ich möchte leise sprechen. franz fühmann ist tot. er ist ein bedeutender dichter, der sich stellenweise in rhetorik verlor. der stellen sind wenige, weltliterarisch wenig. als das kind ihn das erste mal sah, stand es verlegen. er blätterte in einem buch, er blickte auf, sprang auf. das kind erschrak, er war ein koloß. er fragte, was es gern lese. es antwortete: "indianerbücher." er nickte und schrieb unter "das hölzerne pferd" - "ein buch über die indianer des mittelmeers." das kind fügte zeilen: "fühmann großer dichter, mächtger koloß der herzlichkeit". es kam zeit, in der das kind fragen stellte, ohne die antworten zu verstehen. fühmann hatte wenig zeit, er hörte lange zu, er bat, sarah kirsch zu besuchen. "aber sie kennt mich doch nicht." - "geht, sie braucht freundlichkeit." nach einladungen schrieb er persönlich klingende briefe. als er zur lesung kam, war er müde. einer hätte nachts an seiner tür geklingelt. fühmann hatte zugehört. redete fühmann, hörten wir zu. er hatte eine fesselnde art zu sprechen, erzählte er von schreibplänen, der enkelin oder dem jungen, der sich im klo erhängte, "über den aber schreiben müßt ihr." er schrieb auch zu pavlows papierbuch: "eine geschichte, wie ihr sie schreiben könnt." als notiere er einen vorwurf: das ist nicht meine aufgabe, meine ist ich-wandlungsbewältigung, bewahren von mythen, sensiblisieren auf sprache. franz fühmann hatte den jesuitenschulzögling, faschisten, sa-soldaten, gefangenen gelebt, lebte antifaschist, sozialist, als wechsele er in den dritten glauben. es bedingte enttäuschungen. "nun kann ich nichts mehr glauben." in "vor feuerschlünden" sagt er es - im pathos des glaubens. fühmann schrieb langsam. er bekämpfte zeitverbrauchendes freundlichsein, ohne unfreundlich sein zu müssen: er bezog einen spartanischen arbeitsraum in märkisch-buchholz. zu denen, die trotzdem zu ihm wollten, sagte seine frau: "schreiben sie ihm besser!" fühmann war vor seinem tod sehr krank. er bekämpfte verzagtsein mit plänen, neben dem bergwerksroman eine rockoper zu schreiben. ein junger mann lebte bei ihm, fordernd, den fühmann forderte, trieb, förderte wegen "poetischer urwüchsigkeit" zwischen epigonischem.
in seinem testament soll franz fühmann davon sprechen, daß er als dichter gescheitert sei. möglich, es bezieht sich auf den anspruch: "gelingt es uns jetzt nicht mehr zu leisten, was wir zu leisten vermögen, fällt wesentliche erfahrung meiner generation ins vergessen, denn chroniken, gesetzt selbst sie existierten, bewahren das wesentliche nicht." fühmann, der in "kabelkran und blauer peter" von angst beim abstieg über eine leiter sprach, stieg in den bergwerkschacht, medium zu finden für fragen und antworten eines ganzen lebens. der roman blieb ansatz. vielleicht meint der satz das.
franz fühmann ist tot. ich danke ihm mit dem vorsatz, ehrlich, fragend, freundlich zu leben, dem schmerz nicht auszuweichen in oberflächlichsein, die sprache als etwas zu achten, das die mauern zwischen uns löchrig machen, löchrig halten kann.
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